holytux schreibt u.a.:
Die Frage heißt für mich viel mehr, ob persönliche „Glaubenserlebnisse“ für die Öffentlichkeit einen Sinn ergeben, ob es überhaupt vernünftig ist, solche Dinge dergestalt zu publizieren, wie es, besonders ausgeprägt in der neuapostolischen Welt üblich ist.
Ich meine nein! Der persönliche Glaube des Einzelnen ist etwas intimes, etwas wirklich „Spezielles“.
Andererseits haben allerdings Umfragen ergeben, dass eben gerade die „Erlebnisberichte“ bei den Stammlesern der UF besonders beliebt sind. Hier entscheidet also durchaus der Wille des Volkes...
Werter holytux,
ich stimme Ihnen weitgehend zu. Man sollte aber differenzieren, wer und wie ein sog. Glaubenserlebnis 'öffentlich' gemacht wird. Wenn jemand meint, er solle einem Dritten erzählen, was er als Gläubiger erlebt hat, dann muss man ihm das nicht verwehren. Was der Dritte mit dem ihm Mitgeteilten macht, bleibt diesem überlassen.
Wenn eine Zeitschrift solche Erlebnisberichte der Leserschaft aufgreift und sie per Abdruck in ihren Ausgaben verbreitet, muß man schon schauen: wo kommt sie her, was will sie damit. Bei Boulevardblättchen oder Gazetten, die sich aus rein wirtschaftlichen Gründen auf dem Zeitschriftenmarkt tummeln und sich dabei den hier und da verbreiteten Lesehunger von Menschen auf 'sonderbare Erlebnisse' nutzen wollen, wird dagegen wohl niemand etwas vorbringen - auch dann nicht, wenn die Geschichtchen religiösen Inhalts sind wie bei der UF üblich.
Bei der UF aber haben wir es aber mit einer amtlichen Kirchenzeitung zu tun, der 'Zeitschrift der Neuaupostolischen Kirche' (Titelblatt); sie wird im Auftrage der NAKI (s.Impressum) herausgegeben. Dahinter steht die Kirchenleitung, die die Lehre in dieser Kirche bestimmt. Dementsprechend sind die Inhalte definiert, mit welchen Kirche bewußt versucht, gezielt Einfluß auf den 'neuapostolischen' Glauben der Leserschaft zu nehmen. Wenn sich auch Leser dieser Zeitung dafür aussprechen, dieses oder jenes als (religiösen) Lesestoff aufzunehmen, so ist doch bekannt, dass die von Zürich abhängige Redaktion dem nur dann folgt, wenn es zur kirchenamtlichen Aufgabe des Blatts passt.
So sind auch die 'Erlebnisberichte' der Leser genau passend zu dem Blatt, werden aber nur dann angnommen, wenn und soweit - und das sind die Auswahlparameter - die Schilderungen konkludentes NAK-Denken wiedergeben oder zumindest mit der NAK-Lehre im Einklang stehen. Aus Mitteilungen von Kirchenmitgliedern weiss ich, dass die Redaktion Berichte, in welchen die NAK schlecht weg kommt, nicht akzeptiert, auch dann nicht, wenn sie vielleicht für Leser interessant oder nur unterhaltend sein könnten. Es spiegelt sich in der Summe der UF-Beiträge nicht das wirkliche Glaubensleben der Leser wider, sondern nur eine Seite, nämlich die, die die Kirche und ihre Lehre möglichst positiv beleuchtet.
Schon aus diesen Gründen bin ich auf Ihrer Seite, wenn Sie infrage stellen, ob solche Veröffentlichungen in einer amtlich redigierten Kirchenzeitschrift einen Sinn machen.
Aber auch inhaltlich muss man Bedenken gegen die nachlesbaren Berichte Bedenken vorbringen, wenn darin erkennbar undifferenziert Lehraussagen in die Leserschaft transportiert werden, etwa wie in dem von mir erwähnten Fall: 'Auch wenn du finanziell beengt bist, dann gib dein Opfer, denn du wirst sehen, dass Gott dir anschließend mehr zurückgibt, als du in den Kasten gelegt hast.' (In Kurzfassung heißt das: Gott lässt sich nichts schenken, du kriegst es wieder.) Jedenfalls kann man jenen Bericht so auffassen. Der Autor in UF macht ja in seiner redaktionellen Überarbeitung keine Anstalten, die Dinge aus notwendiger angemessener Distanz zu beleuchten, indem er etwa schreibt: unser Glaubensbruder glaubt (!), dass Gott ihm geholfen habe. Nein, es liest sich, als sei das 100 % gewiss: Gott hat tatsächlich die Hand im Spiel parteilich und einseitig zugunsten unseres NAK-lers, auch im Optikerladen, und den Optiker macht Gott kurzerhand zu seinem Werkzeug, auferlegt ihm auch noch Verzicht, und alles allein deshalb, damit unserem treuen Opferer Lohn für sein Opfer von dritter Seite zugute kommt.
Damit macht die amtliche Kirchenzeitschrift sich automatisch zu einem Verfechter der These: Leser, wenn du als Neuapostolischer dein Geld in den Opferkasten deiner Kirche legst, dann gibt ER dir das auf irgendeine Weise zurück. Und der Leser, der ergeben den ihm vermittelten kirchlichen Aussagen folgt, übernimt das dann zumindest als guten Rat, wie er fürderhin vorzugehen hat. Kurz: Die UF sorgt mit diesem Bericht einmal mehr für kirchengerechtes Handeln der UF-lesenden Mitglieder.
Durch solche Berichte wird zudem auch vermittelt, dass Gott NAK-ler unter den Menschen bevorzugt und für sie in jedem Fall was tut, gern auch zu Lasten anderer Menschen. Die UF als amtliches Kirchenorgan unterstützt damit elitäres Denken unter den Kirchenmitgliedern: WIR SIND WER! Der Andere, der hat dem nur zu dienen, der hat ggf. auch zu verzichten zu Gunsten des NAK-Kirchenmitglieds, egal, wie es dem geht. Auf dieser Linie liegen ja bekanntlich auch so viele NAK-Erlebnisberichte um den Erhalt einer Wohnung oder Arbeitsplatzes; wenn denn der NAK-ler, klar Dank Gottes Beistand, das Ersehnte erlangt hat, scheint der Glaube gestärkt, aber der Glaubende verliert dann keinen einzigen Gedanken, dass der Nicht-Berücksichtigte vielleicht schlechter dran war in der Wohnungs- oder Arbeitsplatzfrage! Das hat dann auch nach UF nicht mehr zu interessieren, Hauptsache: dem Glaubensburder, der Glaubensschwester ist 'erkennbar durch Gott' geholfen.
Zusammengefasst möchte ich feststellen, dass diese Art der Veröffentlichtung von Glaubenserlebnissen in der genannten Kirchenzeitschrift eine fragwürdige Angelegenheit ist. Sollen die Geschwister, wenn sie über vermeintliche Glaubenserlebnisse berichten wollen, das untereinander mündlich tun, aber so, wie die UF sich dafür als Plattform zur Verbreitung in der Öffentlichkeit darstellt, kann man dem aus den dargestellten Gründen nur ablehnend gegenüberstehen.
Freundl. Grüße
Com.