ich verstehe nicht immer, was ich sage. Ich bin Frau. Das größere Problem scheint mir aber zu sein, dass ich nicht immer verstehe, was ich denke. Ich lasse sie daher hilfesuchend an meiner geistigen Verwirrung teilhaben:
Ich habe an einen persönlichen Gott geglaubt. "Persönlich", weil ich mir ihn als eine - wie auch immer gestaltete - Person vorstellte. Nicht als etwas ungewiss-nebelhaft-unbekannt-waberndes in den Tiefen des Alls. "Persönlich" auch, weil ich glaubte, dass er sich jedem seiner Geschöpfe persönlich zuzuwenden vermag: Gott als liebender Vater, als verlässlicher Partner in allen Lebenslagen, als begleitender Freund. Soweit mein kindlicher Glaube.
Nun erwarte ich aber von einem Vater, Partner, Freund etwas: Direkte Kommunikation. Im Vater-Kind-Verhältnis umständehalber und temporär als oben-unten-Beziehung, im Partner-Freund-Verhältnis auf Augenhöhe. Mein Vater sagte mir stets liebevoll aber klar, was er warum von mir erwartete. Mein Partner und meine Freunde teilen mir ihre Erwartungen ebenfalls mit. Sie wählen dabei eine Gesprächsebene, die beide Seiten verstehen. Bei diesen Beziehungen gibt es immer auch eine Gegenleistung - die Antwort auf "Was kann ich von dir erwarten?". Es gibt immer einen unausgesprochenen "Vertrag" in stillscheigender Übereinkunft. Man tut gut daran, diesen Vertrag beiderseits einzuhalten.
Die Sache mit Gott ist weitaus schwieriger:
- Es gibt Menschen, die anderen Menschen erklären, sie verkündeten Gotte Wort, Gottes Willen. Sie haben mir aber nie erklären können, woher sie ihre Legitimation beziehen. Am Schlüsselsatz jeder Unterhaltung darüber fand sie ihr Ende: "Das musst du einfach glauben". Nö. Muss ich nicht. Ihr müsst mir erklären, warum ich euch glauben sollte. Wäre es nicht sinnvoll, Gott würde klarstellen, wer in seinem Namen spricht?
- Menschen meinen, Gottes Willen aus der Bibel erkennen zu können. Wenn ich sie frage, woher diese Bibel stammt, wie viele Übersetzungsschritte in wie viele Sprachen das "Wort Gottes" hinter sich hat und auf welch verschlungenen Wegen wer festgelegt hat, was in dieser Bibel zu stehen hat (und was eben nicht) und wie die fremd wirkenden Sätze zu interpretieren sind, dann antworten sie mir weitschweifig mit Literaturlisten und Vorlesungsverzeichnissen zum Thema. Meine Fragen beantwortet das nicht. Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann hat Gott aber nicht ausreichend über sein Wort gewacht. Wenn ich Gott wäre, würde ich gut aufpassen, dass mein Wille bei den Menschen klar und eindeutig ankommt. Wäre es nicht nützlich, Gott würde seinen Willen direkt und eindeutig kundtun?
- Menschen glauben, dass Gott direkt zu ihnen spricht. Sie sehen Zusammenhänge, interpretieren alltägliche Zufälle als Teil eines göttlichen Plans, hören Gott in der Natur, in der Musik, erleben Gott in anderen Menschen. Das alles ist etwas diffus, undurchsichtig und gelegentlich auch höchst dubios. Zwischen ernsthaft und "vernünftig" Gläubigen und weltfremden Spinnern findet sich eine beeindruckende Bandbreite. Bei den Meisten denke ich, ist der innige Wunsch der Vater des Gedankens. Einer kritischen Überprüfung hält das nicht stand. Wäre es nicht sinnvoll, Gott würde sich seinen Geschöpfen klar mitteilen?
- Menschen fragen nach Gott. Manche rufen nach ihm, andere schreien aus tiefster Not und Verzweiflung. Viele wären schon mit einem einfachen "Ja, ich bin da. Ich höre dich." zufrieden. Aber da kommt nichts. Gar nichts. Nur Stille und Leere. Wäre es nicht wohltuend, Gott würde dem Einzelnen seine Liebe, seine Zuwendung, sein "da-sein" mitteilen?
Gott tut nichts von alledem. Gar nichts. Was die berechtigte Frage aufwirft, ob es ihn gibt.
Cemper, wenn mein Vater, mein Partner, meine Freunde, so mit mir umgehen würden, hätte ich die Beziehung schon beendet. Um mit Antoine de Saint-Exupéry zu sprechen (sie kennen gewiss diese wunderschöne Stelle aus "Der kleine Prinz") "Man ist doch verantwortlich für das, was man sich vertraut gemacht hat". Ja. Man kann nicht eine Schöpfung hinlegen und sich dann umdrehen und sie sich selbst überlassen. Während die selbsternannten Stellvertreter Gottes auf Erden auf bohrende Fragen stets gleich antworten: Unsere Fragen würden uns dermaleinst im Jenseits beantwortet. Dann, wenn wir ohnehin keine Fragen mehr haben. (Was schon eine gewisse Komik hat)
Was ist das für ein Gott, der ständig auf das Jenseits und auf "später" vertröstet? Wir leben hier und jetzt und müssen zusehen, wie wir mit unseren paar Jahrzehnten Erdendasein zurechtkommen und das Leben so lebenswert wie eben möglich gestalten. Im Jenseits werden wir bei Gott sein, sagt man uns. Und dann würde "alles gut". Cemper, wenn "alles gut" ist, brauchen wir keinen Gott (mehr). Wir bräuchten ihn hier, wo eben vieles alles andere als "gut" ist.
Der Gott der Christen ist ein letztlich Gott des Schweigens und der Jenseitshoffnung. Ich finde das ein bißchen wenig. Mal so ganz alltagspraktisch betrachtet.
Ich nehme an, sie sind jetzt genauso verwirrt wie ich.
Es ist Mittag. Wir sollten was essen gehen. Von schweren Gedanken werde ich immer hungrig. Ich lade sie danach auf einen Kaffee ein. Und dann erklären sie mir die Sache mit Gott, ja?
P.S.: wir sind hier im Thread "Büttenpredigt" - betrachten sie mein obiges kindliches Lallen als solche.
