gestatten Sie bitte, dass ich einige Ihrer Gedanken aus meiner Sicht weiterflechte:
Das, was Sie als Schmidtsches Gift bezeichnen, ist m.E. eine vielleicht typisch menschliche, vor allem aber systemimmanente Eigenschaft. Nehmen Sie analog dazu die Langzeitwirkung der Nazi-Ideologie. Auch sie war eingebrannt worden in die Köpfe und Herzen der Menschen und von da an nicht mittels Ausschalter zum Schweigen zu bringen. Erst die Kulturrevolution der 1968er-Generation (wie in der Nachbarthematik aufgeführt) hat dieser Ideologie langsam die eigentliche Grundlage - nämlich das krankhafte Autoritäts- und Hierarchiedenken - entzogen. Dieser Vorgang läuft m.E. im Augenblick auch in den geheiligten Mauern des Werkes Gottes neuapostolischer Provenienz ab.was Sie hier darlegen, ist genau das „Schmidt´sche Gift“ der Verschwiegenheit, welches aber im wahrsten Sinn eine verheerende Langzeitwirkung zeigt. Schmidt hat mit seinem Maulkorb-Erlass tatsächlich mindestens die erste Generation der möglichen „Aufarbeiter“ zum Schweigen gebracht und das mit einleuchtendem Grund. Bei einer ehrlichen Bestandsaufnahme wäre man sehr schnell auf die Unvereinbarkeit der na. Endzeitapostolizität mit dem Bischoff-Tod gestoßen und wäre somit gezwungen gewesen, dieselbe als obsolet zuzugeben.
Im Grunde war die mehr oder minder heftig geglaubte oder gewünschte Offenbarungsstätte des Heiligen Geistes schon zu Beginn der NAK (Ende der 1890er Jahre) obsolet. Die Auseinandersetzungen zwischen Krebs und der niederländischen Fraktion hat seit dem Tod von Ap. Schwarz deutlich gemacht, was an dieser Offenbarungsstätte offenbar wird. Und 60 Jahre zuvor war's im Grunde nicht anders, nur war damals das Prophetenamt dafür zuständig.Egal welcher Stammapostel zu welchem Zeitpunkt auch immer was „klarstellen“ will, die Offenbarungsstätte des Heiligen Geistes im na. Apostelamt hat seit JGB. jegliche Berechtigung verwirkt.
Ich würde dies als EINE Erklärung betrachten - es gäbe auch andere. Wie erwähnt, es ist schon fraglich, ob es überhaupt der finale Wendepunkt war. Er ist uns m.E. nur ob seiner zeitlichen Nähe und seines Umfangs so heftig in Erinnerung.Wie Sie sehr richtig schreiben kann die heutige Generation diesen finalen Wendepunkt neuapostolischer Lehre nicht nachvollziehen, weil die damalige Generation zum Schweigen verdonnert war und somit nicht aufgeklärt hat. Das Unverständnis ist somit erklärbar.
Aber unabhängig davon, Unverständnis hat wie Verständnis mit Verstand zu tun und der kann vielleicht ausgeschaltet, aber nicht zum Schweigen verdonnert werden. Und selbst das Ausschalten wird im entsprechenden Umfeld nur sehr sporadisch gelingen. Keiner ist alleine auf die Aufklärung der Eltern oder Älteren angewiesen. Wer neugierig ist, der forscht und wer forscht, der klärt sich letztlich selber auf. Was wirklich gefehlt hat, war m.E. mehr die Freiheit der Neugierde und die Freiheit des Redens und Denkens. Wenn ich an meine Elterngeneration im Amtskörper denke, so war damals ein Hinterfragen jeder Art von Obrigkeit ein völliges Tabu. So waren diese Leute und hier vor allem die militaristisch konditionierten Männer erzogen worden. Beispiel: Als Diakon sagte mein Onkel in den 1950er Jahren: Wenn mein Vorsteher sagt, ich solle die Stühle heute verkehrt rum aufstellen (in den Mietlokalen der damaligen Zeit mussten vor dem Gd. erst noch die Stühle aufgestellt werden), dann mach ich das eben. Führer befiehl, wir folgen dir ...
Irgend eine Sache, und sei sie noch so gering, am Werk Gottes in Frage zu stellen, war außerhalb des Denkhorizonts der meisten dieser Menschen. Freilich, es gab auch andere und sie geben beredtes Zeugnis dafür, dass es auch anders gegangen wäre - und das betrifft die Bischoff-Diktatur genauso wie die Nazi-Diktatur ...
Das ist sehr verständlich und ich habe den Verdacht, dass die KL auch darauf baute ...Was die letzten verbliebenen Zeitzeugen betrifft, so sind diese nach m.M. eher müde denn vergesslich.
