Ich möchte folgenden Beitrag noch einmal hier einstellen, weil es m.E. einer der besten in diesem Thread ist.
Edda hat geschrieben:
Die Beiträge der letzten zwei Tagen belegen, dass religiöse Identität weder durch sprachliche Analysen noch durch andere sprachliche Mittel zu verändern sind. Die tiefe Prägung der Wahrnehmung anderer Menschen und Kritiker kann nicht durch Argumente geändert werden. So ist meine Erfahrung. Was tun? Manchmal hilft es, über die eigenen Gefühle zu schreiben ohne dabei den anderen herabzusetzen.
Edda
Ich kann dich, Oliver, gut verstehen, wenn du "Fakten, Zahlen, Daten" haben willst. Ich denke aber, dass es damit zwei Probleme gibt:
1. Was sind Fakten / Welche Fakten akzeptierst du? Ich habe den Eindruck, dass die Beschreibung auf der Blog-Seite aus dem Bezirk Minden ganz gut erkennen lässt, dass hier Fakten zugrunde liegen - "Fakten" im Sinne von "wer hat was wann gemacht". Natürlich werden nicht alle so detailliert genannt wie du das gerne hättest - sonst würdest du dem Schreiber vielleicht unterstellen, es würde um persönliche Angriffe gehen statt um Hinweise auf Fehler von systemweiter Relevanz. Man kann leider von einer Person geschilderte Fakten fast immer ablehnen, indem man ein Faktum nur anerkennt, wenn man schwarz auf weiß von allen Konfliktparteien unterschriebene Berichte erhält, die auch noch in der Schilderung übereinstimmen. Das wird es hier - wie fast immer - nicht geben. Also gibt es keine Fakten? Es gibt Erfahrungen, die Menschen machen und die nicht im wissenschaftlichen Sinn objektivierbar sind. Trotzdem haben sie ein Gewicht und sollten ernst genommen werden. Indem man sie als allgemeines Gelaber aus Lust an der Kritik diffamiert, macht man sie in ihrer Wirkung nicht kleiner.
Besonders tragisch finde ich, wenn hier Person A den Hochmut einer Person B anprangert und sich von Person C den Vorwurf anhören muss, sie kritisiere aus Hochmut heraus, worauf Person A der Person C Hochmut vorwirft. Das ist so einfach, weil man Hochmut und Egoismus immer jeder Handlung unwiderlegbar unterstellen kann: Selbst wenn Jesus unschuldig am Kreuz stirbt, kann man ihm unterstellen, dass er nur der größte Märtyrer der Welt werden wollte. Es wäre besser, wir würden zunächst mal davon ausgehen, dass jemand aus Wohlwollen einer Sache, einer Person, einer Idee oder einem System gegenüber auf Missstände hinweist oder mich selbst kritisiert - bis das Gegenteil bewiesen ist – und nicht zunächst einmal davon ausgehen, dass man ein System zerstören will oder nur an sich denkt, wenn man den Finger in die Wunden legt. Zu unterscheiden, mit welcher Motivation jemand kritisiert, ist nicht so einfach; wenn man es bloß an der Rhetorik festmacht und z.B. feststellt, dass viel Emotionen im Spiel sind, heißt das nicht, dass einer narzisstisch gekränkt ist, es kann auch einfach bedeuten, dass einem die Angelegenheit so viel bedeutet, dass man eben nicht immer emotionslos auf der Sachebene bleiben kann.
2. Fakten im Sinne von Zahlen und Daten haben hier m.E. keine große Bedeutung. Es geht hier vor allem um Beziehung. Die Amtsträger im angesprochenen Bezirk verhalten sich offenbar systematisch so, dass sie Beziehungen zerstören, statt sie aufzubauen. Und das wohl daher, weil ihnen eine vorgeblich reine Weste und ihr Machtanspruch wichtiger sind als die Beziehungen zu den anvertrauten Geschwistern. Und weil sie glauben, sie müssen die reine Lehre (die Wahrheit!) vor kritischen Angriffen schützen.
Wenn man bedenkt, dass die NAK großen Wert auf Geborgenheit in der Gemeinde legt (das soll eine ihrer Stärken sein!), muss man sich schon fragen, warum hier nicht umsichtiger, liebevoller miteinander umgegangen wird. Seelsorge ohne Beziehung geht nicht. Nicht die "Kritiker" sind eine Gefahr für die NAK, sondern zum Beziehungsaufbau und zur positiven Kommunikation unfähige (und manchmal sogar unwillige) Amtsträger! Leider sind sie oft auch dann noch beratungsresistent, wenn Fehlverhalten oder Missstände nicht mehr zu leugnen sind. Statt sich von ihrer menschlichen Seite zu zeigen, um Entschuldigung bzw. Vergebung zu bitten, reagieren sie narzisstisch gekränkt oder wie unreife Kinder, die glauben, dass Probleme verschwinden, wenn man sich nur lange genug die Augen zu hält.
Von Jesus wird berichtet, dass er auch mit narzisstischen Überhöhungen seiner Person versucht wurde (du kannst zaubern: Steine zu Brot machen; du kannst dich vom Tempeldach hinabstürzen ohne dass dir etwas geschieht; die ganze Welt ist dein Eigentum). Leider können viele Personen, die ein Amt in einer Kirche haben, dieser Versuchung nicht im erforderlichen Maß widerstehen. Viele glauben,
- sie können ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem Predigtthema, den Grundlagen und Hintergründen - alleine aus Phrasen und Worthülsen – mit dem erhobenen Zeigefinger als Zauberstock eine gehaltvolle Predigt herbei zaubern oder in fromm gefalteten Händen als Kristallkugel die Gedanken Gottes lesen,
- sie können sich aus ihrer Position oben (!) auf dem Tempel heraus in die Niederungen von Vertrösten, Verheimlichen, Vorgaukeln, Lügen usw. stürzen, ohne sich selbst und der Gemeinde Schaden zuzufügen,
- die Gemeinde / der Bezirk / die Gebietskirche wären ihr Eigentum, mit dem sie tun und lassen können, was sie wollen, ohne dafür jemals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Dabei hat Jesus sich wirklich bemüht, durch viele Gleichnisse und durch sein Leben und Sterben klar zu machen, dass Hochmut und Besitzansprüche ein zentrales Problem in unserer Welt sind.
Leider habe ich kaum Ahnung, wie man mit solchen Amtsträgern so sprechen kann, dass diese das Problem einsehen und sich wieder so verhalten, wie man es von "Christen" erwarten kann. Mir ist es in meiner Zeit in der NAK nicht gelungen – vielleicht, weil auch von meiner Seite zu viel Emotion im Spiel war. Und ich halte die Wahrscheinlichkeit gering, dass es jemals gelingen kann – wenn ein Mensch schon so hoch "auf dem Sockel steht", lässt er sich nicht von Argumenten oder Gesprächen dort herunterholen. Auch Saulus/Paulus wurde nicht durch Gespräche mit den Aposteln oder den von ihm verfolgten Christen bekehrt, sondern durch ein einschneidendes Eingreifen Gottes.
Ich wünsche jedem, dass er eine Gemeinde findet, in der er aufblühen kann, in der er sich nach einem Gottesdienst ernährt und gestärkt fühlt, in der er sich so angenommen fühlt, wie er ist und zugleich Lust bekommt, nicht so zu bleiben wie er ist. In der er nicht das Gefühl hat, kämpfen oder sich verteidigen zu müssen. Für mich war das mal eine Gemeinde in der NAK, jetzt ist es eine Gemeinde in der evangelischen Kirche (in der aber auch nicht alles perfekt ist). Wobei ich sagen muss: das Kämpfen in den letzten Jahren meiner NAK-Zeit war nicht leicht, hat mich aber reifer gemacht. Ich möchte diese Zeit nicht aus meinem Leben streichen. Aber alles hat seine Zeit ...