rfw hat geschrieben:Auch von mir ein herzliches Dankeschön für die weiteren Beiträge, die einige interessante Fragestellungen eröffnen.
agape hat geschrieben:
Lieber rfw,
Wie man eine bessere Welt schafft, wie politisch Jesus wirklich war und auch für die Welt grundlegende Beispiele gab, das haben viele religiöse und politische Gemeinschaften schon begriffen, aber in "Sondergemeinschaften mit
selbst gewählter Isolation" ist dies wirklich Neuland und darf deswegen sicher positiv benannt werden.
Liebe agape,
die "bessere Welt", in der ich heute im Vergleich zu früheren Jh. oder Jahrtausenden lebe, habe ich womöglich eher Revolutionären zu verdanken als einer biblischen Botschaft.
Die Frz. Revolution hat für "mich" mehr getan als das Konzil von Nicäa und Bismarck hat für die soziale Sicherheit mehr erreicht als Augustinus. (Die Namen und Ereignisse sind durchaus anders besetzbar.)
Hätten die Hüter, Verwalter und Erklärer des "Evangeliums" das Sagen behalten, wir lebten vermutlich in einer gottestaatlich geordneten Welt, die der des Islam nicht unähnlich sein dürfte. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes würde geklagt, geurteilt, gerichtet und gestraft, was das Zeug hielte. Armut und Hunger wären da unantastbare Gottesurteile und kein Feld für zwischenmenschliche Zuwendungen.
Unsere beherzte Cottbuser Schwester handelt sozial. Und das ist auch gut so.
Mein Einwand bezog sich also nicht darauf, dass es keine positive Meldung über ein positives Ereignis hätte geben dürfen. Ich wende nur ein, dass soziales Handeln nicht vorschnell mit "gelebtem Evangelium" gleichzusetzen ist, (nur) weil ein religiöser Kontext besteht.
Übrigens: Um meinen Nächsten in Not zu versorgen muss ich ihn nicht mal lieben. Evt. gebietet das schon die Vernunft!? Oder aber ein solches Verhalten ist evolutionspsychologisch gut zu begründen!? (Auch das nur als Denkanstoß).
Und um letztlich noch etwas "nachzulegen"... : Mir geht es schon primär um die Frage, was das Evangelium ist. Dabei sehe ich die Gefahr, dass die Grundfragen - auch die des Glaubens im weiteren und des Christentums im engeren Sinne - durch verkürzte moralistische Gefühlsduselei zugekitscht und damit bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wird. Manchmal genügt uns die rosarote Brille, durch die Symbol und Wirklichkeit verwechselt werden statt uns einer Realität auszusetzen, deren Beherrschung mehr erfordert, als ein paar gute Gefühle.
Was heisst das konkret? Wenn jemand mit dem Kopf durch die Wand will, dann kann ich ihm nach jedem erfolglosen aber schmerzhaften Versuch ein christlicher Nächstenliebe eine Kopfschmerztablette reichen - oder ich kann mich irgendwann auch mal mit den Ursachen auseinander setzen und fragen, ob ihm Tabletten weiterhelfen.
Bei allem Respekt also: Eine Suppenküche in unserer deutschen Wohlstandsgesellschaft ist ein wenig so, wie eine offene Kühlschranktür als Maßnahme gegen globale Erwärmung: Rührend, aber als Lösung eher ungeeignet.
Sofern es sich um gesellschaftliches Phänomen von existenzieller Not handelt, können auch nur gesamtgesellschaftliche, mithin politische Maßnahmen helfen; das sollte gemeinsames soziales Interesse sein. Auch dazu taugt als Triebfeder ein Evangelium eher bedingt in diesem unsrigen heutigen Kontext.
Im Übrigen ist hier auch die berechtigte Frage zu stellen, ob es tatsächlich um existenzielle Nöte geht, wenn wir von Suppenküchen reden. Wenn ich jemandem eine kostenlose Mahlzeit biete, damit er seine geringen Mittel nicht für Nahrung verwenden muss, dann muss ein Evangeliumsbegriff schon sehr dehnbar sein, um noch auf unsere soziale Wirklichkeit zu passen.
Sollten wir wirklich so tun, als fielen uns täglich vom Tode, Leid und tiefsten Elend Bedrohte vor die Füsse, denen es evangelienkonform zu helfen gelte?
Wenn wir hier und heute von Not reden, dann messen wir an einer gesellschaftlichen Norm (die es u,a, schon als Notlage definiert, wenn jemand nicht regelmäßig ins Kino gehen kann). Auf welche Normvorstellung bezieht sich das Evangelium?